Man sagt nicht umsonst „selbst und ständig“
Selbstständige erzählen
In einer Zeit, in der die Arbeitswelt sich rasant verändert und sich viele Menschen nach mehr Freiheit und Selbstbestimmung sehnen, scheint die Selbstständigkeit eine attraktive Alternative zum klassischen Anstellungsverhältnis zu sein. Bunte Instagram-Bilder, auf welchen sogenannte Digital Nomads Cocktails aus Kokosnüssen schlürfen und dabei als Content Creator arbeiten, locken genauso wie hoch motivierende LinkedIn-Postings von Frauen, die ihren Traum verwirklicht haben und währenddessen mit Milchflaschen hantieren, weil sie erfolgreiche #Mompreneurs sind. Von gescheiterten Entrepreneurships oder verzweifelten Selbstständigen hört man seltener – von dem bürokratischen und zeitlichen Aufwand, der mit dem Unternehmertum einhergeht, wird ebenso wenig gesprochen. Das sind jedoch Herausforderungen, die am Beginn einer jeden Selbstständigkeit stehen.
Markus Peter, Gründer der Digital-Marketing-Agentur „Great Mood“, ist mit gerade mal 26 Jahren schon sein eigener Chef. Ihn lockte damals tatsächlich das, was viele von uns nur als Instagram-Realität kennen. Im Januar 2019 verbrachte er gemeinsam mit sechs Arbeitskolleg*innen drei Wochen auf Bali – dort lernte er in einem Co-Working-Space einige Freelancer*innen kennen und bewunderte diese für deren Energie und Motivation, die sie in ihr eigenes Unternehmen steckten, erzählt er im Interview. Ihm selbst hatte die Arbeit im Angestelltenverhältnis schon länger nicht mehr so richtige Freude bereiten können. Als Freigeist, der gerne seinen eigenen Regeln folgt, war die Selbstständigkeit nur eine Frage der Zeit, wie er heute zurückblickend meint. Er hatte immer schon gemerkt, dass ihm die Arbeit als Angestellter weniger Spaß macht als seinen Kolleg*innen, und der Wunsch auszubrechen wurde so von Tag zu Tag konkreter. „Am schlimmsten war der Gedanke, meine Zeit in Arbeit zu investieren, die mich nicht dahin bringt, wo ich eigentlich hinwill“, beschreibt Markus Peter seine Bedenken in dieser Zeit. 2021 hieß es für Markus also raus aus der Komfortzone, das Risiko „Selbstständigkeit“ wagen.
Aller Anfang ist schwer, oder doch nicht?
Sebastian Kraync wagte sich bereits 2017 in die Selbstständigkeit und machte sein Hobby zum Teilzeitberuf. Bei dem Gründer von Mountainbikeconsulting, einem Unternehmen für Custom Mountainbikes, war es weniger die Sehnsucht nach Unabhängigkeit, die ihn motivierte, sich selbstständig zu machen, sondern die Freude an der Tätigkeit selbst. Dennoch, ob Hobby oder der Wunsch nach mehr Freiheit, der Papier- und Bürokratiekrieg muss so oder so geführt werden.
So sahen sich die beiden Gründer Markus und Sebastian anfangs mit Fragen nach Gewerbe, Gewerbeschein, Gewerbeanmeldung, Versicherung, richtiger Finanzierung und ähnlichem konfrontiert. Fragen, die meist schwer und nur mit ausreichend eigenem Investment zu beantworten sind. Während sich Markus an die Wirtschaft skammer wandte, holte sich Sebastian Hilfe bei u:start – damals einem Programm des Alumni-Clubs der Universität Wien und heute bei Uniport verankert, das angehenden Gründer*innen umfassende Unterstützung bietet und sie auf dem Weg in die Selbstständigkeit begleitet.
„u:start hat mir vor allem geholfen zu reflektieren, ob sich das überhaupt ,rentiertʻ, was aus meiner Idee werden und was es nicht werden kann.“
Mit u:start erfolgreich in die Selbstständigkeit starten
u:start richtet sich vor allem an jene, die bereits ein vages Konzept im Kopf haben, denen aber das notwendige Know-how fehlt, ihre Idee zu konkretisieren und richtig umzusetzen. Genau das Richtige für Sebastian damals, wie er erzählt. „u:start hat mir vor allem geholfen zu reflektieren, ob sich das überhaupt rentieren, was aus meiner Idee werden und was es nicht werden kann.“ Bei den Workshops werden Studierenden und Absolvent*innen die notwendigen Werkzeuge in die Hand gegeben, um ihre Geschäftsidee zu entwickeln und den Einstieg in die Selbstständigkeit bzw. Unternehmensgründung erfolgreich zu bewerkstelligen. So werden von der Universität Wien Selbstständigkeit und Gründung als berufliche Optionen für Studierende und Absolvent*innen ermöglicht und ihnen gleichzeitig der Beginn leichter gemacht. Das Besondere an dem Angebot: Es ist kein betriebswirtschaftliches Vorwissen notwendig und bei den Ausbildungsseminaren wird individuell auf jede Idee eingegangen. Denn Kernstück von u:start sind Seminare zur USP-Schärfung, Marketing, Buchhaltung, Finanzplanung und gesetzliche Grundlagen. Im Rahmen dieser Seminare können Fragen gestellt werden, außerdem wird an Konzepten gearbeitet und in Einzelberatungen Feedback zur eigenen Geschäftsidee gegeben. Das krönende Finale bildet dann das Abschlussevent, bei dem mit Sekt auf den erfolgreichen Start in die Selbstständigkeit angestoßen wird.
Regelmäßiger Reality-Check
Wenn das Korkenknallen dann verhallt und die Anfangseuphorie vorbei ist und es daran geht, die Idee tatsächlich in die Tat umzusetzen, gibt es allerdings einige Risiken und Herausforderungen, mit denen man sich als Selbstständige*r auseinandersetzen muss. Eines der größten Risiken ist sicherlich die finanzielle Unsicherheit, die mit der Selbstständigkeit einhergeht. Man hat keine feste Anstellung und somit auch kein festes Einkommen. Dies kann in Zeiten von Auftragsflauten oder Krankheit schnell zu finanziellen Engpässen führen und Selbstständigen Grund zum Grübeln geben. Ebenso die Verantwortung, die man als Gründer*in trägt, sollte nicht unterschätzt werden. Es müssen Entscheidungen getroffen werden, die oft weitreichende Konsequenzen für die Gründer*innen selbst oder andere haben können. Besonders am Beginn einer jeden Selbstständigkeit müssen die Gründer*innen viel Zeit und Energie in den Aufbau ihres Unternehmens stecken. Auch die administrative Arbeit, die mit der Selbstständigkeit einhergeht, ist für viele gar nicht so leicht zu bewerkstelligen.
„Es ist schon so, dass man am Anfang an den Wochenenden, an denen man normalerweise Zeit für Frau und Hund hätte, arbeiten muss und da dann plötzlich andere Sachen Vorrang haben“, erinnert sich Sebastian an den Anfang seiner Selbstständigkeit zurück. Um auch mit Rückschlägen klarzukommen, empfiehlt er, sich regelmäßig den Spiegel vorzuhalten, um Risiken und Chancen realistisch zu bewerten, sozusagen einen Reality-Check, der verhindert, dass man sich von der Selbstständigkeit zu viel erwartet.
Ski fahren während der Arbeitszeit
Arbeiten, wann, wo und mit wem man möchte – das ist oft die erste Assoziation an die Arbeit als Selbstständige*r. Und es stimmt – als Selbstständige*r hat man die Möglichkeit, Ideen und Visionen umzusetzen und dabei seinen eigenen Weg zu gehen. Anstatt an starre Strukturen und Hierarchien gebunden zu sein, kann selbst entschieden werden, welche Projekte umgesetzt werden und mit wem man zusammenarbeitet. Mit der Freiheit der eigenen Zeiteinteilung kommt aber ebenso die Verantwortung, mit seiner Zeit richtig umzugehen. Eine Gefahr, vor der auch Markus Peters Freunde ihn warnten. „Viele haben gemeint, ohne Chef*in im Rücken könnte man sich nicht dazu motivieren zu arbeiten, das war bei mir aber gar nicht der Fall“, erzählt er. Markus Peter betont eher die Flexibilität, die mit der Selbstständigkeit einhergeht. Sein Leben hat sich seit dem Wechsel zur Selbstständigkeit auf jeden Fall positiv verändert. Er hat seither viel mehr Freiheiten, wie er erzählt. „Ich versuche mir die Arbeitszeiten einzuteilen, so gut es mir möglich ist. Sofern ich keine Termine habe, gehe ich auch vormittags manchmal Ski fahren und arbeite dann halt nachmittags bis in die Nacht hinein. Solche Sachen nehme ich mir gerne heraus“, erzählt er. Das Leben als Selbstständiger gibt ihm auf jeden Fall mehr Zufriedenheit, weil er das Gefühl hat, für sich zu arbeiten und nicht für jemand anderen. Auch Sebastian Kraync betont die vielen positiven Aspekte: „Man kann sich selbst aussuchen, worauf man sich fokussiert. Ja, man muss immer Dinge tun, auf die man keine Lust hat, aber als Selbstständiger kannst du die Sachen, die du gar nicht kannst, auslagern. Du wirst in dem, was du liebst, auch gut sein und damit verdienst du dann dein Geld.“
Fazit: Den Versuch ist es wert!
„Was mich immer motiviert hat, war das Ziel: Ich will das für mich selbst machen und etwas aufbauen, das ist auf jeden Fall viel wert“, zieht Markus Peter sein Fazit zur Selbstständigkeit. Er erinnert sich jedoch auch an die Zweifel und Unsicherheiten, die ihn ganz zu Anfang begleiteten. Rückblickend würde er jungen Gründer*innen vor allem eines mit auf den Weg geben: „Selbstständigkeit ist gar nicht so schlimm, wie man es sich vorgestellt hat“ – mit einem Augenzwinkern, versteht sich. Auch Sebastian bereut seinen Schritt in die Selbstständigkeit nicht, er würde es genauso wieder machen. Einzig würde er sich dieses Mal schneller an u:start wenden und nicht erst durch die ganze Stadt rennen, um sich die Tipps zu holen, die es zu einer erfolgreichen Unternehmensgründung braucht.
Dieser Artikel ist in unserem Karrieremagazin Rise erschienen.
Autor*in: Leslie Keferstein